Das Kreuz im Betsaal
„Warum, Herr Pfarrer, ist das Kreuz im Betsaal so groß und mächtig, wo doch alles andere eher schlicht ist?“
Das habe ich mich auch gefragt, als ich den Betsaal das erste Mal besuchte, fällt es doch sehr ins Auge und manche Besucher empfinden es als eine Störung der Ästhetik.
Dafür gibt es verschiedene Gründe, einmal historische und aber auch theologische. Als Pfarrer beginne ich mal mit den theologischen Seiten, ehe ich ein wenig aus der Geschichte erzähle.
Das Kreuz ist für uns Christen ein Zeichen, ein Symbol geworden, mit dem wir sehr viel verbinden. So findet es sich in nahezu jeder Kirche und viele haben auch zuhause Kreuze hängen oder stehen. Es ist schon ein seltsames Zeichen und ich kann einen Psychologen verstehen, der zu mir sagte: Wie könnt ihr Christen nur ein Hinrichtungswerkzeug in eure Gotteshäuser hängen, das geht doch nicht!“
Nun wir Christen tun es trotzdem, weil wir glauben, dass an dem Kreuz Jesu etwas ganz Großes geschehen ist und sichtbar wird: Hier hat Gott uns seine Liebe erklärt, indem er den Sohn sterben ließ für uns und an unserer statt. Wer auf ein Kreuz blickt, der darf wissen:
Ich bin Gott seinen Sohn wert und er vergibt mir in dem Gekreuzigten meine Sünde und öffnet mir den Weg zur Ewigkeit. Er steht mir verstehend zur Seite in allem Leid meines Lebens und hat für mich noch eine andere Perspektive als nur diese Welt. Weil uns das wichtig ist, haben wir von Anfang an als Brüdergemeinde ein Kreuz im Betsaal hängen.
Unser heutiges Kreuz ist von 1928. Zur 100-Jahrfeier des Betsaals wurde es in Auftrag gegeben und von einem, der ungenannt bleiben wollte, gestiftet. Der Stifter verstand es als ein Zeichen der Verbundenheit und des Dankes für große Hilfe, die er durch die Brüdergemeinde erfahren hat.
Entworfen hat es Ernst Belin in Stuttgart, aus Lindenholz ausgeführt dann der Holzbildhauer Riegel aus Altshausen. Die Kreuzbalken selbst gab Schreinermeister Elsässer aus einer im Niederweilerwald gewachsenen Lärche dazu.
Das Kreuz, so heißt es in einer alten Schrift, sollte extra so groß sein, dass es alle Sünden und Sorgen der Gemeinde überragt. In den Worten zur Einweihung von 1928 heißt es: „Möge uns das Kreuz und das von ihm zeugende Wort schlicht und groß nicht nur vor Augen, sondern im Herzen stehen!“
Schon vorher gab es ein Kreuz im Betsaal, es hing an der gleichen Stelle und war ein leeres Kreuz ohne den Leib Christi (Korpus).
Dafür war es mit einer Dornenkrone als Siegeskranz rund um die Mitte geschmückt.
Es ist mir nicht bekannt, wo dieses Kreuz bei der Renovierung von 1928 verblieben ist.
Wenn Sie jedoch von Ostern bis Pfingsten unseren Betsaal besuchen, dann haben wir als besondere Betonung der Osterzeit an Stelle des großen, eher dunklen Kreuzes ein weißes Kreuz ohne Korpus dort hängen. Wir wollen uns in der Osterzeit besonders vor Augen führen, dass Jesus nicht nur für uns gestorben ist, sondern, dass er lebt und uns allen die Ewigkeit schenkt.
Pfarrer Ernest Ahlfeld